Louise schreibt…

Vorurteile

„Was hast Du für Stress?“ Fragte mich mein Ernährungsberater bei meinem letztem Termin mit ihm. Ich überlegte??? Also richtigen Stress hatte ich eigentlich nicht. Also nicht so wie andere Menschen und doch hatte ich Stress. Ich dachte noch einmal genau nach und musste an ein Ereignis von vor ein paar Wochen denken. Im Allgemeinen behandeln mich Menschen oft komisch, die mich und meine Geschichte eigentlich nicht kennen. Trotzdem meinen sie, sich in das Leben ihrer Mitmenschen einmischen zu müssen. Solchen Menschen begegne ich ständig. Wenn ich mit der Straßenbahn fahre und mich die Leute dort drinn anstarren als würde ich von einem anderem Planeten stammen und nur mal ebend hier kurz zu Besuch sein. Oder sie tuscheln noch untereinander und zeigen mit dem Finger auf mich.

Das erlebte ich auch schon: Eine ältere Dame setzte sich neben mich auf die Bank meinen vollen Einkaufswagen betrachtend. Sie gab mir Ernährungstipps und grimmig schaute sie auf meine Laugenbrezel, die ich in meiner Hand hielt und die ich mir notdürftig gekauft und mich dann auf die nächste Bank mit eine Flasche Wasser gerettet hatte, weil mir nach einer Blutspende schwindelig geworden war. Sie meinte es sicher nett, aber ich gab ihr ja auch keine Tipps, was sie tun könnte, um ihre Falten wieder los zu werden. Mit all dem habe ich aber schon gelernt umzugehen,
bzw. es zu ignorieren. Was mir allerdings vor ein paar Wochen passierte, hat mir den Boden so weit unter den Füßen weckgezogen, dass ich an diesem Tag weder zum Training gehen, noch auf meine Ernährung achten konnte. Ganz im Gegenteil, ich versuchte meine Gefühle nach diesem Ereigniss zu betäuben und mich zu beruhigen und aß aus Frust.

In dieser besagten Woche bekam ich ganz überraschend und spontan ein Vorstellungsgespräch in einer Jobvermittlung. Diese suchte für sich selbst eine Sekretärin. Ich erfuhr von diesem Gespräch um 11:00 Uhr. Ein paar Stunden später um 14:00 Uhr sollte ich dort sein. Ich hatte kaum Zeit mich vorzubereiten. Ich stellte schnell eine Bewerbungsmappe zusammen und informierte mich im Internet über das Unternehmen und wie ich dort hinkomme. Ein paar Stunden später war ich auch schon auf dem Weg dorthin. Ein bisschen schüchtern und mit einem mulmigem Gefühl, wie man sich halt vor Vorstellungsgesprächen so fühlt, saß ich in der Bahn. Dennoch war ich zuversichtlich und versuchte so selbstsicher wie nur möglich zu wirken. Dies gelang mir meiner Meinung nach auch sehr gut. Um 13:50 Uhr klingelte ich bei der Vermittlung an der Tür. Es dauerte eine Weile bis die Sekretärin, die noch dort arbeitet und bald ersetzt werden sollte, mir die Tür öffnete. Sie war sehr nett. Als ich den Flur, der gleichzeitig auch der Warteraum war, betrat stieg mir sofort ein penetranter Zigarettengeruch in die Nase. Ich versuchte es zu irgnorieren, zog meine Jacke aus und setzte mich auf einen der Stühle im Wartebereich, den mir die noch Sekretärin. Als ich dort saß, bekam ich mit wie sich meine eventuell zukünftige Chefin darüber aufregte, dass ich 5 Minuten zu früh dort wäre. „Besser zu früh als zu spät“, dachte ich.

Dann kam die Vorzimmerdame noch einmal mit einem Zettel zu mir und meinte ich solle den doch bitte ausfüllen. Ich bejate es höflich und und schaute mir den Zettel an. „Für gewerbliche Tätigkeiten“ stand dort als Überschrift. Ich stutzte, nun ja ich bewarb mich im kaufmännischen Bereich und nicht im gewerblichen. „Aber was solls“, dachte ich und füllte das Blatt aus. Die Adresse und mein Name war ja eh immer gleich und welche Ausbildung ich habe auch. Den Rest lies ich frei. Denn ich hatte weder einen Stablerschein, noch konnte ich schweißen oder ähnliches. Zusammen mit meiner sorgfältig zusammen gestellten Bewerbungsmappe gab ich ihn der Vorzimmerdame zurück. Dann durfte ich ersteinmal ewig warten, obwohl sie sich aufregte, dass ich zu früh dort war. Sie ließ sich nun aber ganz schön viel Zeit.

Irgendwan kam meine Eventuell-Chefin dann in den Warteraum, um mir mitzuteilen, dass sie nun auf Toilette müsse. „Toll, vielen Dank für diese Information“, dachte ich. Nach ca. 20 Minuten durfte ich dann endlich in ihr Büro und das Vorstellungsgespräch began. Als erstes steckte sie sich erst einmal eine Zigarette an. „Na prost Mahlzeit“, dachte ich. Kurz danach machte sie ein überraschtes Gesicht und sagte nur: „Oh jetzt rauche ich hier.“ Ich versuchte ruhig und chamant zu bleiben und sagte nur: „Naja, eigentlich bin ich Nichtraucherin. Aber ich sehe da Mal drüber weg“, und grinste sie an. Im weiteren Gesprächsverlauf stellte sich heraus, dass sie viel mehr verlangte als in der Stellenanzeige stand und jemanden wollte, den sie nicht einarbeiten muss (was sie wohl schwer finden wird)! Der neue Kollege oder die neue Kollegin sollten auch schon Erfahrung im Sekretariat mitbringen. Da ich diese Erfahrung nicht hatte, war uns beiden schnell klar: Es wird keine Zusammenarbeit zwischen uns geben. Dies war ich gewohnt. Ich hatte in meinem Leben bisher mehr Absagen als Zusagen erhalten.
Aber leider war sie noch nicht fertig: „Es ist sehr traurig. Sie sind ja noch so jung.“ Ich schaute sie nur fragend an. Dann blickte die Räucherhexe auf mein Bewerbungsbild. Das sehr hübsch und professionel aussieht und sogar meiner Jobvermittlerin gefallen hatte. „Was ist denn nur aus dieser Frau geworden?“ sprach sie weiter. Ich schluckte! An meinem Selbstbewusstsein wird zwar gerade gearbeitet und durch meinen Sport, den ich treibe inklusive der Wettkämpfe und Trainings hat es sich zwar auch schon gebessert. Aber besonders groß war es immer noch nicht, von den Selbstzweifeln Mal ganz zu schweigen. Ich schaute sie nur an, schluckte und war sprachlos.

Dann putzte sie mich weiter runter, machte negative Andeutungen über mein Gewicht. Ich sei ja schwer vermittelbar und würde sowieso nie einen Job finden, der für mich geeignet wäre. Sie bräuchte jemanden,
die oder der schnell und flexibel ist. Ich betone, sie sucht eine Sekretärin! Sie machte mich noch weiter verbal nieder, aber ich weiß jetzt nicht mehr was sie sagte. Ich habe es erfolgreich verdrängt. Was ich noch spürte, war einen riesen Kloß im Hals und ich zitterte. Ich hätte weinen können, aber ich versuchte es zu unterdrücken. Als sie fertig war, sagte sie, dass sie meine Bewerbungsunterlagen da behält. In der Hoffnung, die sie aber nicht hätte, dass sie doch noch eine Stelle für mich finden würde. Als sie mit allem fertig war, nahm ich meine Sachen und ging total fertig und zugeräuchert in den Warteraum, um mir meine Jacke anzuziehen. Dort stiegen mir erste Tränen in die Augen. „Nicht jetzt und nicht hier,“ dachte ich. Diesen Triumph wollte ich ihr nicht gönnen. Ich lief schnell raus und wollte da schnell weg. Als ich am Bahnhof stand und auf die Bahn wartete, die ich gerade verpasst hatte, gab es kein halten mehr. Ich weinte und schluchzte richtig laut vor mich hin und mich schüttelte ein Heulkrampf nach dem anderen, ich konnte mich nicht beruhigen. Ich suchte mir auf dem Bahnsteig eine ruhige Ecke, wo nicht so viele Leute waren. Es war mir sehr peinlich und auch sonst machte ich das nie, dass ich in der Öffentlichkeit weinte. Normalerweise hielt ich es immer noch mindestens aus bis ich meine Wohnung betrat. Heute war das anders. Ich fühlte mich sehr gekränkt und verletzt. Diese Frau urteilte über mich, ohne mich näher zu kennen und dachte, dass alle dicken Mensche gleich sind und jedes Klischee bedienen, die es über Dicke so gibt. Aber nein, meine Liebe Räucherfrau so leicht ist es leider nicht, auch wenn Du schon viele
Jahre als Personalchefin arbeitest. Jeder Mensch ist einzigartig und hat seine eigene Geschichte. Man sollte nicht über ihn urteilen, wenn man sie nicht wirklich kennt!

Jeder Person ist auf ihre Art wertvoll. Es ist schade, dass sie das in all den Jahren als Personalchefin und Mensch noch nicht begriffen haben. Zumal ist sie selbst nicht gerade schlank wie eine Gazelle. Ohne Fehler ist sie ebenfalls nicht. Ohne Fehler ist niemand bis auf Mary Poppins vielleicht. Wenn sie mich kennen würde, wüsste sie, dass ich seit fast 2 Jahren dabei bin mein Leben und meine Figur zu verändern, an der sie ja so viel auszusetzen hatte. Ich treibe regelmäßig Sport, nehme an Wettkämpfen teil und gehe zur Ernährungsberatung. Der Sport hat einen großen Platz in meinem Leben eingenommen und ich richte alles danach aus.


Ich hoffe: „Sie haben ihre Sekretärin gefunden, die sie nicht einarbeiten müssen und die schlank und wendig ist!“ Am Besten auch eine Raucherin.
Mich hatte dieser Termin sehr geprägt, ich hatte noch den ganzen Abend Heulkrämpfe, aß sehr viel aus Frust und konnte an diesem Tag auch nicht zu meinem heißgeliebten Stabitraining gehen. Ich hatte Angst dort auf einmal wieder in Tränen auszubrechen. Vor meinen nächsten Vorstellungsgesprächen hatte ich große Angst und auch meine
Selbstzweifel kamen immer wieder zurück.

„Du isst aus emotionalem Stress“ sagte mein Ernährungsberater schockiert, als ich ihm von dem Vorstellungsgespräch berichtete. Es war mir sehr peinlich, denn ich wollte es eigentlich nicht erzählen aus Angst die Leute könnten zustimmen, dass die Chefin doch Recht hatte. Denn das dachte ich zum Teil bis zu diesem Termin. Zu meiner Beruhigung fügte mein Berater aber noch hinzu: „Daran können wir aber arbeiten und ich helfe Dir dabei.“ Zum Glück, dachte ich.

Hattet Ihr auch schon Mal solch eine Erfahrung? Wenn ja, wie seid Ihr damit umgegangen? Hat Euch diese Erfahrung auch so umgerissen? Kämpft Ihr auch gegen Übergewicht?

Ich würde mich sehr über Euer Feedback freuen!

Louise

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